Der erste Fall (Az.: I ZR 90/23) bei dem ein Spieler seine kompletten Verluste aus Online-Sportwetten zurückfordert, liegt nun dem Europäischen Gerichtshof vor. Grund dafür ist, dass Anbieter Tipico im Spielzeitraum keine gültige Lizenz für sein Angebot hatte. Eigentlich sollte der Bundesgerichtshof im Juli darüber entscheiden. Der BGH will seine Meinung nun aber noch durch den EuGH absichern lassen. Wir erklären, wie es jetzt für alle weitergeht, die Verluste aus Online-Sportwetten zurückholen wollen.
Zuerst die gute Nachricht: Entscheidet der Europäische Gerichtshof gegen Tipico, bringt dies rechtliche Klarheit und befeuert die Klagewelle gegen Anbieter von illegalen Online-Sportwetten enorm. Die schlechte Nachricht: Bis es zu einer Entscheidung kommt, kann es einige Monate dauern. Das zahlt sich vor allem für Tipico aus, denn der Anbieter gewinnt dadurch enorm an Zeit.
Unser Tipp: Warten Sie nicht mit einer Klage! Verluste können zehn Jahre rückwirkend zurückgeholt werden. Es gilt der Zeitpunkt, in dem die Klage eingereicht wurde.
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Online-Sportwetten: BGH spricht sich für Spieler aus
Die Vorlage vom BGH an den EuGH wurde Ende Juli veröffentlicht und gibt Spielern große Hoffnung. Denn auf 32 Seiten äußert sich der Bundesgerichtshof durchweg spielerfreundlich. Das dürfte die gute Laune bei Tipico wohl etwas trüben.
Was bedeutet das für Spieler?
Für alle, die hierzulande vor Oktober 2020 Geld bei Online-Sportwetten verloren haben, bedeutet das Folgendes: Stellt sich der Europäische Gerichtshof gegen Tipico, ist die Sache in Deutschland ziemlich klar. Der oberste deutsche Gerichtshof steht bereits auf der Seite der Spieler, die unteren Instanzen werden sich daran orientieren und die Verfahren werden wesentlich schneller abgewickelt werden können. Die Chancen, Wettverluste zurückzuholen, sind sehr gut.
Tipico hatte keine gültige Lizenz für das Angebot von Online-Sportwetten in Deutschland
Momentan ist die Dienstleistungsfreiheit der einzige Notnagel, an den sich Tipico zurzeit noch klammert. Denn dass der Anbieter von Online-Sportwetten keine Lizenz hatte und mit dem Angebot im betreffenden Zeitraum dazu auch viele Regeln zum Spielerschutz nicht eingehalten hat, stellt der BGH in seiner Vorlage noch einmal eindeutig heraus. Ob die Dienstleistungsfreiheit in Europa nun wegen des gesetzlichen Wirrwarrs um die Vergabe von Lizenzen an Sportwettenanbieter in Deutschland über dem deutschen Spielerschutz steht, soll nun der Europäische Gerichtshof klären. Damit will der BGH in diesem Punkt endlich Klarheit schaffen. Wir erklären das Chaos um die Lizenzvergabe weiter unten noch einmal genauer.
Was bedeutet das für Spieler?
Sollte der EuGH entscheiden, dass die Verträge mit Tipico nichtig waren, bekommt nicht nur der Spieler aus dem aktuellen Fall seine Verluste zurück. Auch zahlreiche weitere ähnliche Fälle haben dadurch beste Chancen auf Erfolg.
Mehr zum aktuellen Fall finden Sie hier. Sie haben noch Fragen? Nehmen Sie Kontakt mit uns auf!
BGH-Vorlage zum Thema Online-Sportwetten: Das Wichtigste in Kürze erklärt:
Wer verstehen will, worum es bei dem geht, was der Bundesgerichtshof dem Europäischen Gerichtshof jetzt vorgelegt hat, braucht erst einmal ein wenig Hintergrundwissen:
1. Der Knackpunkt: Das gescheiterte Lizenzvergabeverfahren aus dem Jahr 2012
2012 gab es bereits ein Lizenzvergabeverfahren für Online-Sportwetten in Deutschland, dass an der Europäischen Union gescheitert ist. Damals hatte sich auch Tipico auf eine Lizenz beworben, konnte dann wegen des Scheiterns keine bekommen. Den 19 Mitbewerbern erging es genauso. Tipico klagte und bekam zunächst recht – und zwar vom Verwaltungsgericht Wiesbaden. Das Land Hessen legte Berufung ein. In der Berufung bekam Tipico mitgeteilt, dass das Urteil aufgehoben werden soll. Das Verfahren wurde dann jahrelang ausgesetzt und das Urteil schließlich aufgehoben. Eine Lizenz gab es nicht. Tipico ging einfach trotzdem auf den Markt. Konzessionen für das Angebot von Online-Sportwetten gab es in Deutschland schließlich erst Jahre später ab Oktober 2020 zu erwerben.
2. Sportwettenanbieter durften strafrechtlich nicht verfolgt werden
Zahlreiche weitere Sportwettenanbieter gingen ebenso ohne gültige Lizenz für den deutschen Markt online. Das Verheerende dabei: Regeln zum Spielerschutz wurden nicht eingehalten:
- Es galt das 1000-Euro-Limit: Spieler sollten eigentlich nur 1000 Euro pro Monat einsetzen dürfen.
- Das gleichzeitige Anbieten von Sportwetten und Casinospielen war verboten.
- Suchtanreize durch Wettarten mit schnellen Wiederholungen müssen ausgeschlossen werden.
Nichts davon hatte Tipico eingehalten – und zahlreiche weitere Anbieter auch nicht.
Dennoch entschied der EuGH, dass Anbieter von Online-Sportwetten in Deutschland wegen der Unklarheiten nicht strafrechtlich verfolgt werden dürften. Bei der Frage, ob die Spieler ihre Verluste zurückbekommen, geht es aber nicht um Strafrecht, sondern um Zivilrecht.
3. Steht die europäische Dienstleistungsfreiheit über allem?
Der BGH stellt dem EuGH nun zwei wichtige Fragen (wir haben die Fragen aus dem Beamtendeutsch verständlich übersetzt):
Frage 1: Steht die Dienstleistungsfreiheit eines europäischen Glücksspielanbieters über dem deutschen Spielerschutz und dem Willen des Gesetzgebers, Glücksspiele zu begrenzen. Sind die Verträge mit Tipico also dennoch gültig, obwohl der Anbieter keine Lizenz hatte/bzw. bekommen konnte?
Frage 2: Kann ein Spieler keinen Schadenersatz fordern, wenn der Glücksspielanbieter zwar keine gültige Lizenz besaß, aber immerhin eine beantragt hatte, das Vergabeverfahren aber als unionsrechtswidrig galt? Gilt dies auch dann, wenn im eigenen Land eigentlich ein Online-Glücksspielverbot galt?
Was bedeutet das für Spieler?
Der EuGH soll entscheiden, ob die deutschen Regelungen hinfällig sind, weil das Lizenzierungsverfahren von 2012 geplatzt ist. Wir glauben aber nicht, dass der EuGH grenzenloses Glücksspiel legalisiert und erwarten, dass der Spielerschutz bei seiner Entscheidung eine deutliche Rolle spielen wird.
Online-Sportwetten: BGH stellt Schutz über Dienstleistungsfreiheit
Die Dienstleistungsfreiheit sollte dort enden, wo der Schutz der Bevölkerung beginnt – dieser Tenor durchzieht die Vorlage des BGH an den Europäischen Gerichtshof. Sehr deutlich teilt der Bundesge richtshof darin mit, dass die Regelungen des Glücksspielstaatvertrages von 2012 Schutzgesetze sind. Und zwar um die Entstehung von Glücksspielsucht zu verhindern und dadurch Sucht wirksam zu bekämpfen. Der Spieltrieb der Bevölkerung soll in regulierte Bahnen gelenkt werden, um die Entstehung von Schwarzmärkten und die dazugehörige Begleitkriminalität abzuwehren. Dabei betont der BGH ausdrücklich, wie wichtig dabei die Rückforderungsmöglichkeit der Spieler ist, wenn keine gültige Lizenz vorliegt, um diesen Schutz durchzusetzen.
Dabei betont der BGH: „Mit Blick auf das Gewicht des Bevölkerungsschutzes ist zu beachten, dass die Klagesumme im Streitfall unterdurchschnittlich ausfällt. In einer erheblichen Anzahl der beim Senat anhängigen Verfahren beläuft sich der pro Spieler geltend gemachte Nettoverlust auf mehr als 100.000 €."
Für den BGH ist klar: Wer sich nicht an die Bestimmungen des Glücksspielstaatsvertrags hält, bekommt keine Lizenz oder ihm wird die Lizenz entzogen. Dabei verweist der BGH auf seinen Hinweisbeschluss vom 22. März 2024. Dieser betraf übrigens einen Mandanten der HFS Rechtsanwälte. (Mehr Infos gibt es hier.)
Was bedeutet das für Spieler?
Eindeutiger kann man sich kaum auf die Seite der Spieler stellen. Der BGH macht seine Position deutlich sichtbar und gibt dem EuGH den passenden Input. Mehr Fürsprache für die Situation von Spielern kann es kaum geben.
BGH: Die Regelungen zu Online-Sportwetten sind keine Unionssache
Ein weiterer wichtiger Punkt auf den der BGH hinweist ist, dass Glücksspielrecht zu den Bereichen gehört, die von den Mitgliedsstaaten selbst geregelt werden dürfen. Das oberste deutsche Zivilgericht beruft sich dabei auf die vorhergehende EuGH-Rechtsprechung. Zugrunde liegen beträchtliche sittliche, religiöse und kulturelle Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten. Deren jeweilige Regelungen richten sich nach ihren Wertordnungen.
Das bedeutet im Bezug auf Tipico, dass der BGH keinen Anlass sieht, weshalb die Lizenz des Anbieters aus Malta (dort ist der Firmensitz) in Deutschland gelten sollte.
Der 1. Senat sagt außerdem deutlich: „Nach nationalem Recht ist ein Sportwettenvertrag nichtig, den ein Anbieter entgegen dem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt für öffentliche Sportwetten (…) geschlossen hat.“
Erlaubnisvorbehalt bedeutet hier, dass Online-Sportwetten ausschließlich mit einer gültigen Lizenz in Deutschland angeboten werden durften.
Was bedeutet das für Spieler?
Der Wind, der aus dem BGH weht, beflügelt deutlich die Rechte und den Schutz der Spieler. Es bleibt dennoch spannend, wie sich der Europäische Gerichtshof entscheiden wird. Unsere Prognose: Wir halten es für eher unwahrscheinlich, dass der EuGH dort angreift, wo Anbieter ohne Lizenz unterwegs gewesen sind und sich zusätzlich nicht an den Spielerschutz gehalten haben.
Sie haben auch Geld bei einem Anbieter von Online-Sportwetten verloren und möchten Ihre Verluste zurückholen? Wir hefen Ihnen gerne!