Selbst wenn ein Spieler wusste, dass der Anbieter keine gültige Lizenz für den deutschen Markt hatte, müssen ihm Verluste aus illegalem Online-Glücksspiel zurückgezahlt werden. So hat das Oberlandesgericht München nun entschieden. Die Chancen von Spielern, die ihr verlorenes Geld zurückfordern möchten, verbessern sich dadurch enorm. Wir erklären, wie das Gericht zu diesem Urteil kam und weshalb es wegweisend für die folgende Rechtsprechung ist.
Bisher war eine der entscheidenden Fragen: Wann hat der Spieler von der Illegalität der Online-Glücksspiele erfahren? Die meisten Gerichte haben nämlich bisher nach folgender Rechtsansicht entschieden: Ein Spieler kann seine Verluste nur aus dem Zeitraum zurückholen, indem er nicht wusste, dass das jeweilige Angebot ohne gültige Lizenz auf dem deutschen Markt gewesen ist. Sobald ein Spieler weiß, dass er an verbotenen Glücksspielen teilnimmt, kann er seine Verluste nicht mehr zurückholen. Denn dann verstößt er selbst bewusst gegen das Verbot. Das sieht das OLG München anders. Mit seinem Beschluss vom 20. September (Az. 18 U 538/22) setzt es neue Maßstäbe. Denn diesem zufolge spielt es überhaupt keine Rolle, wann ein Spieler von der Illegalität eines Online-Glücksspiels erfährt.
Spieler bekommt mehr als 18 000 Euro aus illegalem Online-Glücksspiel zurück
Im betreffenden Fall ging es um einen Kläger, der zwischen den Jahren 2018 und 2020 bei einem Online-Casino-Anbieter aus Malta insgesamt 18.175 € verloren hatte und diese Verluste zurückholen wollte. Es handelte sich dabei um den Anbieter N1 Interactive Ltd., der in diesem Zeitraum nicht über eine deutsche Konzession verfügte. Das Landgericht Traunstein verurteilte den Anbieter zur Rückzahlung der Verluste. N1 Interactive ging daraufhin in Berufung. Diese wurde mit dem Beschluss des OLG München abgewiesen.
Deshalb ist es egal, ob ein Spieler wusste, ob er illegal online gezockt hat
Wichtig für die Entscheidung des Gerichts ist § 817 BGB. Dabei geht es um die sogenannte Kondiktionssperre im Bereicherungsrecht – auch Rückforderungssperre genannt.
Kondiktion bezeichnet folgende Möglichkeit: Wenn jemand etwas zu unrecht erlangt hat, kann es derjenige, von dem er es bekommen hat, zurückfordern. Diese Möglichkeit schränkt §817 BGB durch die Kondiktionssperre ein. Den komplizierten Gesetzestext kann man so übersetzen: Wenn jemand bewusst sittenwidrig handelt oder gegen ein Verbot verstößt, hat er kein Recht mehr auf eine Rückforderung. Auf Online-Glücksspiel bezogen wurde dieser Paragraph bisher so ausgelegt: Wer beim Spielen wusste, dass das jeweilige Glücksspielangebot illegal ist, bekommt kein Geld zurück. Denn der Spieler hat dabei selbst wissentlich gegen ein Verbot verstoßen.
Die Auslegung von § 817 war allerdings bisher in der Rechtsprechung umstritten. Das OLG München ist nun das erste Oberlandesgericht, das entscheiden hat, dass es nicht darauf ankommt, ob der Spieler von der Illegalität wusste, um seine Spielverluste zurückzubekommen.
Online-Glücksspielverbot soll den Spieler schützen
Der Grund für diese Entscheidung ist folgender: Das OLG München ist der Auffassung, dass das Online-Glücksspiel-Verbot dem Schutz der Spieler dient. Es soll Menschen davor schützen zu viel Geld auszugeben und eventuell spielsüchtig zu werden. Das bedeutet, dass der Spieler hier Geld für eine Sache gezahlt hat, vor der ihn das Verbot eigentlich schützen wollte. In diesem Fall greift die Rückforderungssperre nicht. Ansonsten würde der verspielte Einsatz nämlich dauerhaft beim illegalen Glücksspielanbieter verbleiben und damit das Online-Glücksspiel-Verbot unterlaufen.
Totales Online-Glücksspielverbot bis Juli 2021 in Deutschland
Das Verbot von Online-Glücksspiel galt in Deutschland bis zum Inkrafttreten des neuen Glücksspielstaatsvertrags im Juli 2021. Ausnahmeregelungen gab es lediglich für Schleswig-Holstein. Erst seit Juli 2021 können Online-Glücksspielanbieter überhaupt Lizenzen für den deutschen Markt erhalten. Vorher gab es diese Möglichkeit nicht. Die Illegalität hat aber kaum ein Online-Casino interessiert. In Massen wurde das Internet mit Anbietern vor allem aus Malta und Gibraltar überschwemmt. Da es kaum Kontrollen von deutschen Behörden gab, entstand ein gigantischer Schwarzmarkt.
Schwung in die Klagewelle gegen illegale Online-Casinos
Was die Behörden nicht geschafft haben, richten jetzt die Gerichte. Der Beschluss des OLG München treibt dabei die Klagewelle ordentlich voran, denn die Verbraucherrechte werden durch diesen Beschluss massiv gestärkt. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts gilt als grundsätzlich und wegweisend für die weitere Rechtsprechung in Deutschland. Dazu ist der Beschluss faktisch unanfechtbar, denn das OLG München hat keine Revision zugelassen. Das bedeute auch auf weitere Fälle im Bereich „illegales Online-Glücksspiel“ wird sich dieses Urteil bei der Entscheidungsfindung auswirken.
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